Angesichts der ebenso klaren wie rätselhaften Formel »ohne Gewähr« sind mir sogleich verschiedentliche Assoziationen in den Sinn gekommen, die ich im Folgenden ein wenig ausführen möchte.
Die erste war die Homophonie mit dem Ausdruck »ohne Gewehr«: ohne Waffen, ohne Rüstung, ohne Instrumente. Gestützt wird diese Verwechslung durch eine Tatsache, dass in der westlichen Kultur Instrumentalität schnell mit einem bewaffneten, gepanzerten, verschanzten Diskurs gleichgesetzt wird. Ohne Waffen, man könnte sagen entwaffnet zu sein, bedeutet hingegen sogleich hilflos zu sein, ohne Handwerkszeug. In dieser offensiven und zugleich defensiven Nähe zwischen Gewähr und Gewehr erscheint das Subjekt als diejenige Entität, die – ausgerüstet mit entsprechenden Instrumenten – in der Lage wäre, sich gegen das Risiko von Unfällen und Zufälligkeiten, die auf ihr Leben niederprasseln, zu immunisieren.
Diese erste Assoziation, bezogen auf die Psychoanalyse, würde folgendes nahelegen: Der Psychoanalyse fehlt es nicht an Werkzeugen, sie ist nicht unbewaffnet; jedoch sind es weder Werkzeuge noch Waffen, die in der Psychoanalyse zur Verfügung stehen, sondern Praktiken des Sprechens, die auf der Zeit des Wortes beruhen. Dadurch eröffnen sich Wege, die nur in dieser Zeit existieren: sie verwirklichen sich in der Singularität eines jeden hic et nunc. Das gegenwärtige Problem ist, dass die Vormachtstellung der Psychologie zu einer Standardisierung der therapeutischen Praktiken tendiert, die einer Essentialisierung technischer Regeln entspricht, das heißt einem Versprechen der Garantie: der Garantie des Sprechens, des Hörens, des Glaubens. Die Psychoanalyse ist davor nicht gefeit (es gibt auch hier keine Garantie!), sie droht vielmehr, ihrer radikalen Andersheit verlustig zu gehen.
Eine zweite Assoziation hat mit der Bedeutung der Präposition »ohne« zu tun. Was bedeutet »ohne«? Zunächst möchte ich auf etwas hinweisen, das oft unbemerkt geblieben ist: Viele der stringentesten Formeln des Denkens des 20. Jahrhunderts sind durch die Markierung einer Abwesenheit oder eines Mangels gekennzeichnet, was im Deutschen sowohl durch »ohne« als auch durch das Suffix »-los« bzw. »-losigkeit« ausgedrückt wird. Ich denke dabei an Walter Benjamins berühmte Formulierung aus seinem Essay über Goethes Wahlverwandtschaften: »Nur um der Hoffnungslosen willen ist uns die Hoffnung gegeben«; oder an die Feststellung von Hannah Arendt, dass es Völker ohne Heimat und ohne Staat gibt und dass gerade diese Völker »die Avantgarde unserer Völker«, ja die Zukunft unserer gemeinsamen Geschichte darstellen. Ich denke auch an die inzwischen allzu alltäglich gewordenen Adjektive »heimatlos«, »staatenlos« und »namenlos« (letzteres kommt ebenfalls von Benjamin).
»Ohne« bzw. »-los« taucht in Wendungen auf, die im Guten wie im Schlechten die Geschicke des Jahrhunderts geprägt haben: »Volk ohne Land und Land ohne Volk« war die magische (d.h. Garantie heischende) Formel der nationalsozialistischen Geopolitik, die auch eine Biopolitik war. Demgegenüber hat die zeitgenössische Philosophie versucht, die Subjektivität ausgehend vom »ohne« zu denken, so etwa Blanchot, wenn er die Subjektivität ohne Subjekt oder außerhalb des Subjekts (hors du sujet) denkt, das heißt in Subjektivierungsprozessen, die keiner Form der Individuation entsprechen, wie sie von der Moderne konzipiert war. Die Zugehörigkeit des Menschen zu einem Außen (dehors) ohne Intimität und ohne Grenzen, das heißt ohne Bezug oder Maß, ist ein Verhältnis ohne Verhältnis:
Mensch ohne Horizont und sich nicht von einem Horizont aus behauptend [...], auf diese Weise fremd jedem Sichtbaren und jedem Unsichtbaren, ist er das, was zu mir kommt als Sprechen, wenn Sprechen nicht Sehen heißt. [...] Und wenn der Andere zu mir spricht, ist das Sprechen das Verhältnis dessen, was radikal getrennt bleibt, das Verhältnis der dritten Art, das eine Beziehung ohne Einheit, ohne Gleichheit behauptet.1
»Ohne«, so würde ich behaupten, ist ein Symptom. Wie Marx’ Gespenster streifen auch die Symptome durch Europa. Welche Bewegung wird durch diese Mobilisierung des »ohne« erzeugt? Knapp gesagt: die Präposition »ohne« postuliert etwas und erklärt es zugleich für abwesend. Mehr noch: Es ist das Ding selbst, das seine Abwesenheit erklärt, und zwar durch den Signifikanten »ohne«, der vor oder hinter dem Wort, welches eine Sache bezeichnet, steht. Die Sache ist da und gleichzeitig abwesend. Es ist keine neutrale Abwesenheit, sondern impliziert einen Bezug zur Sache. Man könnte »ohne« als einen Quasibegriff betrachten: als einen Begriff am Rande des Nicht-Begrifflichen (Blumenberg), der notwendig ist, um zu versuchen, etwas zu sagen, das sich den traditionellen Kriterien entzieht; um einen Mangel auszudrücken, der nicht nur die Beraubten betrifft, sondern alle: eine universelle Chiffre für singuläre Erfahrungen dank des emphatischen Werts, den eine Präposition annimmt. Dann kann »ohne« als Wegweiser eines schwierigen, aber notwendigen Weges erkannt werden: sich der Abwesenheit zu stellen, mit der Trauer umzugehen, den Mangel in eine Lücke zu verwandeln und dabei den Schmerz, den dieser Mangel verursacht hat und immer noch verursacht, nicht wegzuschieben. Wenn wir uns diese Abwesenheit in klinischen Begriffen vorstellen, können wir sagen, dass sie etwas von einer Leere hat, aber gleichzeitig auch von einer fehlenden Präsenz. Jeder, der diese Erfahrung gemacht hat, weiß, wie schwer diese Leere sein kann und wie sie gleichzeitig die ultimative Möglichkeit für ein Subjekt darstellt, das an dem Punkt angelangt ist, eine Analyse zu beginnen. Gerade in dieser seltsamen Kombination von Anwesenheit und Abwesenheit kann ein Wort endlich geäußert werden, Wirkung entfalten – vielleicht nach langem Schweigen und Schiffbruch ohne Licht. Diese Leerstelle, die es nicht zu besetzen gilt oder, genauer gesagt, von der man nicht glauben darf, dass man sie besetzen kann, ist entscheidend dafür, dass etwas in der Rede weit über die festen Gewissheiten hinausgeht, mit denen sich die Ideologie der Kommunikation den Mund voll stopft. Die Leerstelle muss leer sein und bleiben (auch in Bezug auf diese Gewissheiten), damit etwas anderes (eine andere Logik) stattfinden kann. In der Tat ist es nur dieser leere Ort – ein Ort, der nicht durch Garantie bzw. die rechtliche Funktion eines Bürgen okkupiert ist –, der es ermöglicht, dass durch das Wort etwas anderes gesagt wird und sich die Sprache selbst aus der Stummheit des Offensichtlichen löst. Freilich würde eine Garantie helfen, insofern sie diese Aufgabe zumindest oberflächlich erleichtern würde: Denn die Garantie würde dem Subjekt eine Position verleihen.
Die negative Kraft des »ohne« ist indessen entscheidend: Sie entzieht den universellen Aussagen ihre spektakuläre und fiktive Kraft. Sie bewirkt in der Tat eine Demontage ihrer vermeintlichen Evidenz. Ein Loch: ein Loch der Bedingungen, von denen Schutz oder Verteidigung ausgehen sollten; ein Loch der Bedingungen der Performativität, wie sie die deutsche Sprache in dem Verb »gewährleisten« voraussetzt.
Das Wahre – was immer das sein mag – muss ohne die Garantie auskommen, die ihrerseits sicher glaubt, der Wahrheit in die Hände zu spielen, während sie am Ende nur eine Meinung, eine Position, eine Haltung verstärkt. Das Fehlen der Garantie unter-sagt (inter-dice), sich auf die Behauptung der Garantie zu verlassen. Auf diese Weise verhindert das Fehlen der Garantie nicht das Wahre, sondern unterstützt die einzige Sache, die für das Wahre steht: die ungewisse, aber immer mögliche Begegnung, wie unwahrscheinlich und übertrieben sie auch erscheinen mag im Verhältnis zu unserer Macht, zu machen und zu sprechen. Keine Garantie bedeutet, dass es keine Kontinuität, Beständigkeit oder Linearität gibt. Alles ist der unwegsamen Kontingenz des Wortes anvertraut. Es gibt weder Stabilität noch Konsistenz.
Der Bürge selbst ist ohne Garantie, ohne Position. Wenn wir dieses Wort auf den oder die Psychoanalytiker_in anwenden, würden wir sagen, dass er/sie nur dazu da ist, mit den Begriffen der Kontingenz etwas von der Wette, die als solche nur im Ereignis der Zeit, im Akt ihrer Realisierung existiert, zu öffnen, ja wieder ins Spiel zu bringen.
Von einer Sprache zur anderen, aber auch innerhalb »derselben Sprache« (vorausgesetzt, es gibt so etwas), und von Mund zu Ohr geht die Rede ohne Gewähr. Der Irrtum ist immer möglich, das beängstigende Missverständnis kann nicht durch Exorzismus ausgetrieben werden. Nur dann kann sprachlich etwas entstehen, das nicht schon markiert, nicht schon im Voraus gegeben ist: kein schon toter Gemeinplatz, den man nur zu wiederholen bräuchte, weil er schon tausendmal wiederholt wurde.
In dieser Leere eröffnet sich dem Seiltänzer ohne Seil die Möglichkeit einer Überraschung, einer Begegnung, eines außerplanmäßigen Ereignisses, bei dem er etwas von seinem Begehren entdecken kann.
Aus dem Italienischen übersetzt von Judith Kasper
Maurice Blanchot, Das Verhältnis der dritten Art. Mensch ohne Horizont, übers. v. Hans-Joachim Metzger, in ders., Das unendliche Gespräch, hg. v. Marcus Coelen, Christian Driesen, Jonathan Schmidt-Dominé, Wien 2023, Turia+Kant, 120–131, 124.