Itzhak Benyamini ist 1968 in Tel Aviv geboren, Philosoph, Kultur- und Religionswissenschaftler, Verlagsgründer und -leiter, Hochschullehrer und Poet.
Kurz vor Redaktionsschluss schickte er mir das widerständige, politisch auf Israel bezogene und von dort geschriebene Buch, das im inhaltlichen Resultat nicht wenig politisch beängstigend bleibt, aber den Blick weitet, nicht unbedingt die Sicht. Lacan‘sche psychoanalytische Konzepte werden durch Anwendung politisiert. Sie können dann zu Katalysatoren für die psychoanalytische Praxis und deren Theoretisierung werden, weil sie durch Reales, Bedrängendes, Bedrohliches, Agitierendes aufgebrochen wurden. Das Buch ist Effekt von Denknot.
Der letzte Abschnitt des Buches ist die Erzählung über ein Gespräch (mit als wörtlich markierten Einschüben) von Avi Shilon mit Benyamini für die Zeitschrift Jediót Acharonot (28.07.2023). Die Überschrift des Artikels lautet: »Das heutige Empowerment der Mizrachim erfolgt nur über ihre stereotypische Liebe zu Netanyahu«1. Shilon, ganz offensichtlich Benyamini zugetan, schreibt über ihn: »Er hat es schwer mit dem mizrachischen Diskurs, der in den letzten Jahren gedeiht. Gerade weil er ›Perser‹ ist.« (S. 125) Und weiter: »Benyamini ist kein einfacher Mensch […] es gibt kaum etwas, was ihn nicht stört. […] Das will natürlich nicht heißen, dass er kein netter Mensch ist, und zwar tatsächlich bis zum Extrem.« (S. 126)
Bei aller theoretischen Disziplin, Sorgfalt, bis zur Verschrobenheit, die ihm Shilon und auch der Übersetzer attestieren, habe ich als Leser immer gespürt, dass es um das Ding geht, annähernd gefasst als Angst.
Benyamini im Gespräch mit Shilon:
Nicht nur, dass die Gegenwart die Vergangenheit schreibt. Nein, es gibt gar keine Vergangenheit. Es gibt die Gegenwart. Sie produziert nicht nur das Gedächtnis, sondern konstruiert zugleich eine Vergangenheit. Eigentlich haben wir in diesem Augenblick gleichzeitig eine Gegenwart, eine Zukunft und eine Vergangenheit, und alle sind Gegenwart. Wollen Sie es noch radikaler? (S. 133).
[Shilon:] Wenn es geht.
[…], der Holocaust existiert nicht an und für sich. Will sagen: Es hat ihn gegeben, aber über die Produktion durch die Gegenwart. […] Außerhalb des historischen Diskurses hat es keinen Holocaust gegeben. […] Leute verstehen es nicht – dass es keine Vergangenheit gibt. (S. 133)
Wie gesagt, die Angst ist zentrales Objekt der Forschung Benyaminis. Netanyahu wird dabei als Figur konzipiert. Ihr wird zugeschrieben, dass sie den zufriedenen Rechten, die im Verlauf des Buches im Wesentlichen als heimatliebende Mizrachim beschrieben werden, und den nörgelnden Linken, die angeblich ihr Heimatland verraten, nationalistische Angst macht, um von ihnen dann als rettender Anführer akzeptiert zu werden. Netanyahu bediene sich dabei einer apokalyptischen Rhetorik, die einen immerwährenden Ausnahmezustand heraufbeschwört, regelrecht dafür sorgt, dass seine Anhänger Araber angreifen, damit diese schließlich Israel angreifen.
Das Verbrechen der Hamas vom 7. Oktober habe den Ausgangspunkt geliefert dafür, dass die Palästinenser noch viel leiden werden (S. 13). Offenbar in Wut über bestimmte Fraktionen in der israelischen Politik schreibt Benyamini dann von einem gesamtisraelischen Konsens, den es offenbar nicht gibt:
Dafür hat der israelische Faschismus ein Geschenk bekommen, nämlich einen Vernichtungskrieg gegen die Araber, der von einem gesamtisraelischen Konsens getragen wird, während auch die schlimmsten Ängste, sich auf eine Art und Weise erfüllen, die über jede Vorstellung hinausgehen, auf die der durchschnittliche Israeli in seiner Ängstlichkeit hätte kommen können. (S. 13)
Diese Angst richte sich innerhalb Israels auf »das lange herangezüchtete Stereotyp des säkularen, liberalen, aschkenasischen Tel-Avivers. Er ist der Volksfeind.« (S. 14)
Benyamini hegt die Befürchtung, dass der Staat Israel drohe, zu einer Theokratie zu werden, die eine jüdische Vormachtstellung gegenüber den Minderheiten fördere:
Vielleicht ist es nicht Netanyahus persönliches Ziel, eine Theokratie zu errichten, aber er ist jedenfalls bereit, mit nationalistischen und rassistischen Akteuren zusammenzuarbeiten, um seine eigene Macht zu sichern und eine drohende Anklage gegen ihn abzuwenden. (S. 11)
Benyamini arbeitet eine Figur heraus, die Netanyahu genannt wird, die diese »Angstmaschine«, die Angst Israels, die von Israelis und die Angst angesichts Israels, am Laufen hält in Kooperation mit der Hamas.
Die Übersetzung des vorliegenden Buchs ins Deutsche – so im Vorwort – sei ihm Anlass, sich als Autor noch einmal durch eine Übersetzung hervorzubringen:
Dabei haben wir nach dem Hebräischen innerhalb des Deutschen gesucht und dieses Hebräische, das das Deutsche sich (wie wir es uns vorstellen) vorstellt, wiederum ins Hebräische übersetzt; es geht also um eine Übersetzung aus dem Hebräischen ins Hebräische. (S. 21)
Das Buch hat also mit dem Deutschen, dem deutschen Leser zu tun.
»Das Ding bedeutet auf Hebräisch auch das Wort. Diese Doppeldeutigkeit hilft uns, die affektive Realität wie auch die Sprachlichkeit des Kerns zu verstehen, der hier spricht.« (S. 22) Der Kern ist das nicht Sprechbare, das gewaltsam agiert wird. Benyamini bietet eine politische Philosophie kombiniert mit Psychoanalyse, die mit Theologie gelesen wird, zugunsten einer zumindest theoretischen Öffnung der Konflikte in Israel. Diese Art der Analyse könnte produktiv auf andere Konflikte angewandt werden.
Die Überlegungen zum deutsch-hebräischen und dann auch israelisch-deutschen Übersetzen führt topologisch gesehen (Benyamini ist auch Mathematiker) zu einer Erweiterung und Stärkung, wie er schreibt, »des hiesigen Diskurses«, also des dortigen und von hier aus gesehen hiesigen Diskurses. Benyamini nimmt die Fragen seines Denkens aus der topographischen Bindung an einen fernen Nahen Osten heraus. Er nutzt Topologie, was vergnüglich ist. Das befreit vom Ballast moralinfizierten Denkens, ermuntert ethisches Theoretisieren.
Benyamini legt dar, dass Israeli-Sein etwas anderes sei als Jude-Sein. Ersteres sei ein territoriales, nationales Sein, eines der imaginären, daher aggressiven Identität, ein psychopolitisches Paradoxon: Das politische Handeln der Israelis sei sehr affektiv, deren psychischer Raum aber vom Politischen versiegelt gehalten. Zu befürchten wäre, dass sonst das politische Handeln ein Trauma hervorbringe. Noch schlimmer: Es stifte eine pseudopolitische Identität, zu der ein in seiner Ausprägung fiktional erst hergestellter Unterschied gehöre wie der von Mizrachi- und Aschkenasi-Sein. Das führe zu einem dauernden inneren Ausnahmezustand und einem äußeren Kriegszustand (S. 36). Anknüpfbar wären Freuds und Derridas Erörterung der Grausamkeit.2 Von dort führten Spuren zur Hamas, zum Westjordanland und nach Gaza.
Identitätswille führe zu grausamer Entschiedenheit gegen sich selbst und andere. Diese Konstellation könne nicht gelöst werden, weil dann eine ganz andere Politik folgen müsste. Dennoch begegneten sich bewusstes Handeln und Unbewusstes ständig intim wie beim Geschlechtsverkehr. (S. 37) Benyamini verweist auf Freuds Überschrift zu Kapitel VI des Unbewussten »Der Verkehr der beiden Systeme«, eine Anspielung auf Kommunikation und Sexualverkehr.
Wenn es mir bei der schnellen Lektüre nicht entgangen ist, wird Sexualität in den Ausführungen Benyaminis sonst kaum ausgeführt.3 Der von Lacan ausgearbeitete Zusammenhang von Angst und Orgasmus4 könnte psychoanalytisch hier weiterführen.
Im 2. Kapitel holt Benyamini den Zusammenhang zwischen dem Staatsbürgerlichen und dem Theologischen (S. 47) mit Hilfe der Psychoanalyse und Marx aus der Verdrängung.
Für mich bezieht sich das Theologische auf die existenzielle Arena, in der das Subjekt durch Untergebenheit und Unterwerfung (oder vielleicht durch unterwerfende Liebe?) gegenüber dem Anderen motiviert wird, das heißt gegenüber einem höheren, transzendenten Prinzip, welches das Soziale an sich ist. Dabei sind das Religiöse und die Religion selbst auffällige, paradigmatische Fälle, in denen diese Unterwerfung kohärent und unverhüllt verkörpert wird. (S. 52)
Das Bürgerliche wähne sich befreit vom Religiösen und vom Theologischen. Nur zuweilen fordere es in gemeinschaftlich-protestierender Ekstase Gerechtigkeit. So komme die enge Beziehung, wie Durkheim sie herausgearbeitet hat, der religiösen und der Gemeinschaftserfahrung zur Geltung. (S. 52) Als These formuliert, liest sich das so: »Das Unbewusste des Bürgerlichen ist das Theologische und das Unbewusste des Theologischen ist das Bürgerliche.« (S. 55) Aus Angst vor massiven Konflikten werde die Beziehung verleugnet und verdrängt. Es ist, so habe es den Anschein, das Unbewusste selbst, das da verdrängt werde. Der apokalyptische Rand beider Diskurse, des bürgerlichen und des theologischen, beziehe sie aufeinander. – Von hier aus könnte man auch auf die Letzte Generation sehen, fällt dem Rezensenten ein. – Das Bürgerliche sei die horizontal vermittelnde Achse zwischen dem Menschlichen und dem Realen, das Theologische die vertikale Achse.
Dem Zionismus, so Benyamini, lag das Phantasma der Rückkehr nach Hause, in die häusliche Bequemlichkeit, zu Grunde. (S. 61) Das Theologische wurde zugunsten eines säkular-modernistischen und/oder sozialistischen nationalen Diskurses aufgegeben. Diese (aschkenasisch-)sozialistische Aufwertung, so Benyamini, sollte das Religiöse gemäß der hebräischen Bibel ersetzen, und hat wohl geglaubt, sich trotz oder wegen des Bezuges auf die Psychoanalyse die Auseinandersetzung damit ersparen zu können (vgl. S. 61).
Dies ergab sich aus dem Wunsch, die palästinensische Häuslichkeit […] von ihren palästinensischen Bewohnern zu befreien, sie so palästinensisch zu machen, wie in den imaginierten Tagen der Bibel und das hebräisch Neo-Palästinensische in sie einzupflanzen, das heißt den europäischen Juden, der die orientalische Vorstellung vom echten Orient in sich birgt. (S. 61)
Das Bürgerliche wolle sich ohne den Anderen und seinen Überfluss konstituieren, eine Manifestation der Kastrationsangst als Unheimliches, das mit der Unfähigkeit konfrontiere, die Ganzheit zu erlangen:
Diese Bedrohung erfährt das liberal Säkulare, wenn Gottes Gesandte auf Erden das symbolische Zuhause des Bürgerlichen zerstören wollen, nämlich den Obersten Gerichtshof in Jerusalem, wie es wenige Tage vor Ausbruch des großen Protestes passiert ist. (Siedler attackierten das Oberste Gericht, also den Beschützer des Gerechtigkeitssubjektes, weil die Bewohner dieses ›Obersten Hauses‹ angeblich die Häuser der Siedler zum Ziel hatten). (S. 67)
Benyamini schlägt eine neue (Nicht-)Theologie vor, »die sich der Heiligkeit unsicher ist; eine zertrümmerte, stotternde Theologie«. (S. 71)
Das dritte Kapitel ist überschrieben: Etwas vom Mizrachi-Sein: Über den Identitätskern infolge von Freuds Nachträglichkeit. Damit geht es scheinbar um eine inner-israelische Konfliktspezialität. In Verbindung mit dem Theorem der Nachträglichkeit, dem Bezug auf Heideggers und Lacans Ding und Saussures Signifikantentheorie wird ein Gerüst gebaut, von dem aus sich aktuelle Konfliktlagen in anderen Gesellschaften und Nationen besser begreifen lassen.
Nachträglichkeit bezieht sich auf eine gegenwärtige Wirklichkeit, das Verfahren einer Konstruktion von Vergangenheit, die als solche nicht existiert. Diese Wirklichkeit ist gerade wegen des notwendig fiktionalen Charakters, so Benyamini, affektiv. Das Mizrachi-Sein, als eine ›linke‹ und eine ›rechte‹ Konstruktion gegen das bürgerlich arrogante, zur Zeit der Staatsgründung herrschende Aschkenasi-Sein, bilde die Koordinaten der aktuellen Auseinandersetzung in Israel. Provokativ definiert Benyamini: »Der Mizrachi ist ein arabischer Jude abzüglich seines Arabisch-Seins.« (S. 75) Daraus folgt, dass in seinem politischen Kern Mizrachi als ein Signifikant zu gelten habe:
Im primären Sinne des Begriffs bei Ferdinand de Saussure ist das eine materielle Anwesenheit vor dem Erscheinen der Bedeutung. Sobald jemand das Wort ›mizrachi‹ ausspricht, hat man ein intuitives, aber verschwommenes Gefühl, dass man weiß, was damit gemeint ist: Etwas vom Mizrachi-Sein, über dessen Bedeutung wieder kein Konsens herrscht. (S. 79)
Mizrachi wird zum Stepppunkt (Lacan) verschiedener Inhalte, die immer wieder in einem ideologischen Raum überschrieben werden, der seine eigenen Subjekte produziert. Benyamini macht eine konkrete, machtpolitische Erscheinung aus: »Das Mizrachi-Sein wird über die Unterstützung Netanyahus definiert, während die Unterstützung Netanyahus über das Mizrachi-Sein erklärt wird.« (S. 80)
Benyamini baut an einer ausreichend komplexen Theorie, um etwas in der verwirrenden Politik in Israel oder Israels anders zu fassen:
Die eine ›Quelle‹ ist das Arabisch-Sein innerhalb der Zwistigkeiten der verlogenen Identität. Das heißt: sich innerlich als Araber fühlen und kulturell als Araber leben, aber äußerlich den Araber hassen, um sich vom Feind des Zionismus zu distanzieren und um innerhalb des Unbehagens und der identitätsmäßigen Minderwertigkeitsgefühle im aschkenasisch-zionistischen Raum, die eigene Stellung zu stärken. […] Was ich meine, ist, dass die Gegenwart die Vergangenheit des Araberseins schreibt, also diese Vergangenheit wahrhaft erschafft, damit diese neue Vergangenheit die Gegenwart begründen kann. Der ganze Plan wird also in der Gegenwart geschrieben. (S. 86)
In der fiktionalen Struktur kehrt das Theologische, weil gewaltsam implementiert, fast in Form des Theokratischen wieder. Wenn Netanyahu nach dem 7. Oktober der Hamas Vernichtung und Rache ankündigt, ist das nicht weit weg von der Bibel (5. Buch Mose 32,35), wo Gott spricht: »Die Rache ist mein; ich will vergelten.«. Der Signifikant, das Theokratische, bekommt eine Figur, die sich der Person Netanyahus bedient.
Das bedeutendste Momente in der israelischen Politik der letzten 20 Jahre ist Benjamin Netanyahu. Es ist kein weiterer Supersignifikant. Netanyahu ist das Politische Israels, die Zusammenfassung des Politischen, eine negative Inkarnation des Israeli-Sein-Komplexes. Alle Schattenseiten des Israeli-Seins werden hier verkörpert: Die Spannung zwischen Judentum und Demokratie, zwischen liberaler Demokratie und vorliberalen Werten, rechts und links, Frieden und Besatzung, Mizrachim und Aschkenasim und so weiter und so fort. (S. 94).
Der leere Signifikant bekommt so eine Art gegenwärtige Lebendigkeit.
Das vierte Kapitel ist das theoretisch zentrale: Die israelische Angst. Mit Freud, Heidegger, Lacan, Netanyahu.
Benyamini imaginiert sich als Theoretiker wie ein Wortspender. Er gibt Worte, die bis dahin von abstraktem Philosophieren umhüllt waren,
zu faul und zu ängstlich, um dem Es zu begegnen, das Freud auf Jiddisch als Dreck bezeichnete. Nun aber kommen sie heraus auf die Welt, ihrer eigenen Kohärenz unsicher. Die Kohärenz wird zu einem Hindernis, sie soll geopfert werden, damit das so komplizierte ›Ding‹ gefühlt werden kann, das sich im Wort verschanzt: ›Israel‹. (S. 101).
Der Philosoph wird vom Geburtshelfer zur Gebärenden. Israel sei Ding im Sinne Heideggers, das heißt auch, dass wir ›Israels‹ Objekt seien, seine Gegenstände im materialistischen Sinne (S. 101). Das Ding beängstigt, und Benyamini stellt die Frage, ob das mit der modernen christlichen Hermeneutik – Heidegger gehe in ihr sehr weit – zu fassen ist.
Die israelische Angst meint »nicht nur die Angst, die der israelischen Erfahrung innewohnt, sondern auch das Israeli-Sein als Objekt« (S. 102). Benyamini beschränkt sich im Text auf diesen Ausdruck, autistisch, wie er schreibt:
Der Eigenname in unserem Zusammenhang ist ›Israel‹ beziehungsweise ›israelisch‹, und zwar in seinem dinglichsten Sinne, womit er andere Signifikanten wie ›jüdisch‹ löscht. ›Jüdisch‹ wird nunmehr hinter den Signifikanten ›israelisch‹ zurücktreten – auch für einen jüdischen Körper, der sich nicht im Nahen Osten befindet. (S. 105)
Die Angst bezeichnet er mit Freud als Realangst, die einem Realen gelte, was noch schrecklicher sei als militärische Sicherheitsgefahren. Die Kriege gegen den Feind seien nur Tarnung für eine noch größere Angst, deshalb werde eine »andauernde kleine Kriegsführung aufrechterhalten« (S. 107). In einem großen Krieg ginge die Tarnung verloren.
Damit tut sich ein Antagonismus innerhalb des gegenwärtigen Israel auf, der das Buch durchzieht. Mizrachim heißt wörtlich übersetzt Orientale, meint also Juden der arabischen Welt und anderer muslimischer Länder wie die persischen, bucharischen, kurdischen, indischen, kaukasischen und georgischen Juden. Die jüdischen Bewohner Palästinas in präzionistischer Zeit waren überwiegend Mizrachim. Die Staatsgründer 1948 waren maßgeblich Aschkenasim, die aus Zentraleuropa nach Palästina kamen.
Jacques Derrida, Seelenstände der Psychoanalyse. Das Unmögliche jenseits einer souveränen Grausamkeit. Vortag vor den États généraux de la Psychanalyse am 10. Juli 2000, übers. v. Hans-Dieter Gondek, Frankfurt/M. 2002, Suhrkamp; Sigmund Freud, Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie (1905). in ders., Gesammelte Werke, Bd. V, London 1942, Imago, 25–145 (56ff.).
Auf den noch nicht in extenso bedachten Zusammenhangs zur Thematisierung der Angst bei Benyamini kam ich bei der aktuellen Ausstellung des Jüdischen Museum Berlin »Sex. Jüdische Positionen« (16.5 bis 6.10.2024). Dort ausgestellt war ein Exemplar von: STALAG 217. Dazu die Beschriftung: »Stalags, kurz für Stammlager, sind eine Gattung pornografischer Romane, die in nationalsozialistischen Konzentrationslagern spielen und in den 1950er-Jahren in Israel populär wurden. Im Zentrum stehen die sexuelle Gewalt, mit der weibliche SS-Wärterinnen Gefangene der alliierten Streitkräfte misshandeln, sowie deren spätere Rache. – 1961 zum Beginn des Eichmann-Prozesses in Jerusalem erreichten die Bestseller ihre größte Verbreitung. Die Stalag-Serie war ein Weg der israelischen Gesellschaft, sich mit den Schrecken der Schoa auseinanderzusetzen. Sie zeigt, welche schockierenden und grenzüberschreitenden Formen sexuelle Fantasien annehmen können. Victor Bolder. Zweite Auflage. Israel, 1961.«
Jacques Lacan, Die Angst, Seminar X, hg. v. Jacques-Alain Miller, übers. v. Hans-Dieter Gondek, Wien 2010, Turia + Kant, 298.